Es ist schon Tradition, dass am Tag vor dem Deutschen Marken-Summit die Awards für die besten Kommunikationsleistungen vergeben werden.
Veranstaltet vom F.A.Z. Institut standen u.a. Lufthansa CEO Carsten Spohr und Vorjahressieger sowie Deutsche Post CEO Dr. Frank Appel auf der Einladungsliste.
Gefeiert wurde im beeindruckenden Lufthansa Aviation Center in Frankfurt, der für Trainingszwecke mit Nachbauten u.a. der A380, Cockpit-Simulationen und sogar Wasserrutschen ausgestattet ist.
Neben meinem Einsatz als iPad-Zauberer durfte ich auch als Moderator durch die Preisverleihung führen, viele interessante Interviews führen und am Ende den Award an das Kommunikationsteam von adidas überreichen.
Und auch selbst wurde ich in diesem Rahmen interviewt und zwar vom Chefredakteur der Zeitschrift „Markt und Mittelstand“ Christian Preiser.
Mit seiner freundlichen Genehmigung darf ich an dieser Stelle das Interview ebenfalls veröffentlichen.
Deutschland gilt als Heimat des Wirtschaftswunders. Wie magisch ist der deutsche Mittelstand?
Nun, ich war zwar zu Zeiten des Wirtschaftswunders noch nicht auf der Welt und bin weit davon entfernt, die Zauberkunst mit den epochalen Leistungen im Nachkriegsdeutschland zu vergleichen. Was meines Erachtens aber Wirtschaftswunder und Bühnenzauber eint, ist die Überzeugung: Eine gute Idee ist nur dann etwas wert, wenn man sie auch umsetzt. Das gilt für uns Magier genau so wie für den Mittelstand. Daher wage ich die These: Der deutsche Mittelstand ist magisch, weil er immer wieder unerwartete Ideen generiert, seine Kunden verzaubert und den Markt verblüfft!
Als Zauberer sind Sie Freiberufler – und damit Unternehmer. Was ist wichtiger: wirtschaftlicher Profit oder künstlerische Kreativität?
Das Schöne ist: Beides ist möglich. Profitabilität und Kreativität erlebe ich weder als Widerspruch noch als Zielkonflikt. Der Profit erlaubt es mir vielmehr, meine künstlerische Kreativität auszuleben. Das betrachte ich als großes Privileg. Ich will Menschen unterhalten, verblüffen, verzaubern.
Was können mittelständische Unternehmer von Zauberern lernen – und was vice versa?
Als Keynote Speaker bei Unternehmenskonferenzen erläutere ich, wie man die Veränderungen der Digitalen Transformation nutzen kann, und verdeutliche das anhand meiner eigenen Erfolgsgeschichte. Das tue ich aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, denn es gibt nicht den nur den einen richtigen Weg. Umgekehrt lasse ich mich von Erfolgsgeschichten, gerade auch von Mittelständlern und den vielen Hidden Champions in Deutschland, inspirieren. Wenn ich bei Corporate Events auftrete, bereite ich mich intensiv vor, indem ich mich über Firmengeschichte, Produkte und Unternehmenskultur informiere. Die Erfolgsrezepte anderer Branchen kennen zu lernen, finde ich bereichernd. Ich denke, jeder kann von der Geschichte eines anderen etwas lernen, wenn man offen dafür bleibt.
Bei Ihrer Tablet-Zauberei spielen Sie mit den Erfahrungen und Erwartungen des Publikums – klingt wie aus einem Marketinglehrbuch.
Ich behandle mein Publikum sehr aufrichtig und versuche, es auf charmante Weise hinters Licht zu führen – aber nicht, weil ich etwas verdunkeln, sondern weil ich es zum Perspektivwechsel einladen will. Der Magier Karl Germain hat es vor mehr als 100 Jahren auf den Punkt gebracht: „Die Zauberkunst ist der einzige aufrichtige Beruf. Der Magier verspricht zu täuschen – und tut es dann auch.“ Im Übrigen halte ich die Marketing-Prinzipien von Wirtschaftsunternehmen nicht für negativ. Langfristig sind meines Erachtens nur diejenigen Unternehmen erfolgreich, die die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kunden kennen und erfüllen. Wenn Unternehmen dabei nicht aufrichtig sind, ist das auf Dauer mindestens anstrengend und führt langfristig zum Misserfolg
Sie sind einer der ersten Magier, der mit Tablet und Smartphone zaubert. Hätten Sie auch ohne die Digitalisierung Karriere als Zauberer gemacht?
Ja, ich glaube schon, allerdings in einem anderen Ausmaß. Bevor ich mit TV-Screens, Projektionen und später mit Tablets als digitaler Magier Erfolg hatte, war ich bereits jahrelang als magischer Lockvogel bei „Verstehen Sie Spaß?“ im Einsatz. Diese Fernseherfahrung hat mir geholfen, die Chancen der Digitalisierung frühzeitig zu erkennen und zu nutzen. Ich habe gelernt, mich als Pionier meines Metiers zu beweisen und via Plattformen wie Youtube ein Millionenpublikum zu erreichen.
Wie technologieaffin und innovationsfreudig muss ein Zauberer sein?
Um etwas Unerklärliches zu bieten und zu verblüffen, muss ein guter Zauberer seinem Publikum immer den entscheidenden Augenblick voraus sein. Daher setzen wir die neuesten und modernsten Technologien ein Robert Houdin, der als Begründer der modernen Magie gilt, war nicht nur Zauberer, sondern auch ein höchst erfolgreicher Erfinder. Die Grenzen zwischen seinen Patenten und seinen Bühnenshows, zwischen Illusion und Innovation waren fließend. Genau wie ein guter Produktentwickler stellen wir Magier uns immer die Frage: Was gibt es noch nicht? Was würde unser Publikum, also unsere Kunden, überraschen und begeistern? Dieser Prozess darf nie stehen bleiben.
Was treibt Sie an, neue Zaubertricks zu erfinden: die reine Lust am Spielen oder die rationale Überlegung, dass nur Innovation Ihren Erfolg als Magier sichert?
Am Anfang stehen der Reiz und die Freude an der Kreativität. Würde man hier bereits auf kommerzielle Einsatzmöglichkeiten schauen, dann würden viele Ideen gar nicht erst entstehen. Die Leidenschaft für das Undenkbare und eine oft auch kindliche Lust am Spielen sind die Grundzutaten einer außergewöhnlichen Illusion. Im zweiten Schritt denkt man dann über die Publikumswirkung und die Erfolgsprognose nach, denn natürlich sind der Applaus, die Likes und die Clicks, das Brot das digitalen Künstlers. In dem Kontext überlege ich mit meinem Team auch, für welchen Kanal sich das jeweilige Kunststück eignet: eher für einen einmaligen Youtube-Clip, ein TV-Special oder den regelmäßigen Auftritt auf der Bühne.
Wie hoch ist Ihre Flop-Rate?
Der Output, den mein Publikum zu Gesicht bekommt, ist nur die Spitze des kreativen Eisbergs. Der Preis, den man als Innovator zu zahlen hat, sind unzählige Entwürfe und Ideen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht umsetzen lassen. Das kann frustrierend und auch teuer sein, ist aber wie in jedem Unternehmen der übliche Prozess. Wir nutzen Youtube als Testplattform, um eine neue Idee vorzustellen und im interaktiven Austausch mit den Zuschauern zu erfahren, wie viel Potential ein neuer Trick hat.
Wie schützen Sie sich vor Ideenklau: Lassen sich Zaubertricks patentieren?
Das ist leider fast unmöglich. Der bürokratische Prozess dauert zu lange, und der gebotene Schutz lässt sich leicht umgehen. In Zeiten von Youtube haben nicht nur die Zuschauer, sondern auch andere Zauberer die Möglichkeit, sich eine Vorführung beliebig oft und sogar Bild für Bild anzusehen. Dies verführt dann den einen oder anderen dazu, die Zauberer-Ethik zu missachten und meine Methode nachzuahmen. Gegen Plagiate hilft nur: innovativ zu bleiben und immer einen Schritt voraus zu sein.
Wie viel Ihrer Zauberei ist Inspiration – und wieviel Transpiration?
Da die Erfindungen von uns Zauberern in der Regel weder EU-Marktzulassungsverfahren unterliegen noch von Trumpschen Strafzöllen bedroht werden, würde ich die Transpirationsquote auf 80 Prozent taxieren. Dazu kommen 10 Prozent Kommunikation, denn die ist heute wichtiger denn je, und 20 Prozent Inspiration. Damit komme ich auf die berühmten 110 Prozent, die notwendig sind, um erfolgreich zu bleiben.
Wie wichtig sind für Ihren Beruf, neben dem Talent, Fleiß, Disziplin und Übung?
Absolut wichtig. Da unterscheidet sich ein mittelständischer Zauberer wie ich nicht vom deutschen Mittelstand. Magie ist ein Handwerk, bei denen die genannten Tugenden die notwendigen, wenn auch nicht immer hinreichenden Gründe für den Erfolg sind. Am Ende entscheiden meine Kunden, also mein Publikum, ob ich sie begeistern kann oder nicht. Dafür ernte ich etwas, was es – leider – in vielen anderen Jobs viel zu wenig gibt: Applaus und unmittelbare Anerkennung. Warum steht nicht auch mal ein begeisterter Boss abends am Ausgang und spendet seinen Mitarbeitern freudig Applaus?!
Treten Sie lieber vor Konzernen oder lieber vor Mittelständlern auf?
Das lässt sich nicht pauschalisieren. Nette Menschen gibt es überall. Der besondere Reiz des Mittelstands liegt in seiner oft sehr ausgeprägten Unternehmenskultur, einem oft familiären Miteinander und dem spürbaren Stolz auf die gemeinsame Erfolgsgeschichte. Mittelständler haben, nach meiner Erfahrung, eine ganz ausgeprägte „Unternehmenspersönlichkeit“. Mittelständler sind, jeder für sich, ziemlich einzigartig.
Sie haben ein Wirtschaftsingenieursstudium absolviert. Hilft Ihnen das BWL- und Technik-Wissen in Ihrem Beruf als Zauberer?
Ich habe am heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Informatik studiert. Das waren zweifellos interessante Einblicke und Grundlagen, die ich später mit meiner Leidenschaft zusammenführen konnte – gerade bei der Entwicklung technisch anspruchsvoller Tricks. Noch relevanter aber sind die Kontakte, die ich damals geknüpft habe. Noch heute bin ich mit manchen Professoren vom KIT in regelmäßigen Austausch und bekomme wichtige Impulse.
Der Magiermarkt ist von Überkapazitäten geprägt. Wie positionieren Sie sich – über Ihr „Produkt“, Ihren „Preis“ oder worüber…?
Ich glaube strikt daran, dass sich Qualität am Ende durchsetzt und sich der gewissenhafte Aufbau einer Marke lohnt. Diese Erfolgsformel klingt vielleicht nicht so wahnsinnig magisch. Aber nur mit Zaubern und dem Hoffen auf ein Wunder ist selbst in unserer Branche noch niemand langfristig erfolgreich geworden. Person, Produkt, Passion: Am Ende ist es das Gesamtpaket, das das Publikum begeistert – oder eben nicht.
Wie international ist die Marke „Simon Pierro“?
Als „iPad-Magier“ will und muss ich mich international positionieren. Das macht mir auch großen Spaß: In ferne und fremde Länder zu reisen, war schon immer meine Leidenschaft und Sehnsucht. 2015 wollte ich den amerikanischen Markt erobern. Also habe ich zielgerichtet einen Auftritt in einer großen TV-Show geplant. Bei der Ellen DeGeneres-Show ist mir das gelungen. Das ist die derzeit beliebteste Nachmittagssendung Amerikas. Das Video meines Auftritts hat alleine bei Youtube mehr als zwanzig Millionen Abrufe generiert. In Amerika künstlerisch Fuß zu fassen, war für die Internationalisierung der Marke „Simon Pierro“ extrem wichtig.
Nicht einmal Zauberer können sich zweiteilen. Deswegen haben Sie ein Franchisekonzept entworfen. Wie sieht das im Einzelnen aus?
Hier geht es mir vor allem darum, den Markt und die Nachfrage, die ich zunächst quasi im Alleingang geschaffen habe, mit der vom Publikum erwarteten Qualität zu bedienen. Derzeit sind sieben Künstler auf verschiedenen Kontinenten für mich im Einsatz. Ein Kollege fragte mich einmal, ob ich die fünf Stufen einer jeden Karriere kenne: „Stufe 1: Wer ist Simon Pierro? Stufe 2: Bring mir diesen Simon Pierro! Stufe 3: Bring mir einen günstigeren Simon Pierro! Stufe 4: Bring mir einen jüngeren Simon Pierro! Stufe 5: Wer ist Simon Pierro?“ Während ich mich persönlich noch auf Stufe 2 befinde, habe ich Stufe 3 und 4 durch mein Franchise-Modell sozusagen bereits vorweggenommen.
Planen Sie eine weitere Expansion?
Mein Team ist mit mir gewachsen – sowohl die Künstlerkollegen als auch das Team im vermeintlichen „Hintergrund“. Wir schauen natürlich immer nach jungen Talenten, expandieren jedoch sehr behutsam. Denn letztlich stehe ich mit meinem Namen für die Tablet-Magie. Wer Digitale Magie erlebt, soll sich darauf verlassen können, dass die Pierro-Premium-Qualität geboten wird.
Ein typisch mittelständisches Problem ist die Frage der Unternehmensnachfolge. Sie werden in diesem Jahr 40. Denken Sie schon an den Ruhestand?
Wer seinen Beruf mit Leidenschaft ausübt, der sehnt sich nicht mit 40 nach dem Ruhestand. Dennoch weiß ich: Gerade wenn man am Erfolgreichsten ist, sollte man sich verändern. Im Moment ist dieser Punkt aber noch nicht erreicht. Ich habe weiterhin den Ehrgeiz, noch erfolgreicher zu werden.