SAP TechEd Convention in Indien
Indien – ein Land mit über einer Milliarde Einwohnern, das ich bisher in erster Linie aus dem Film “Slumdog Millionaire” und orientalischen Märchen kenne. Ein Land, dessen Essensvielfalt kaum Grenzen zu kennen scheint, in dem die Kuh als Heiligtum gilt, Religion und Familie einen enorm hohen Stellenwert haben und eine Hochzeit gerne mal eine Woche andauert (dafür die Scheidungsrate auch unter einem Prozent liegt). Das Land, in welches ich im Zuge einer der größten IT-Konferenzen, der SAP TechEd, mit meiner digitalen Magie eingeladen werde. Ein Erfahrungsbericht.
Popstar für eine Stunde
Ich stehe hinter der Bühne und gehe noch einige Male die Begrüßung auf Hindi durch. “Hallo Bangalore. Mein Name ist Simon. Ich komme aus Deutschland. Ich bin Zauberer.” Keine allzu einprägsame Sprache für einen Nicht-Inder. Aber es sind ja nur ein paar Zeilen. Am ersten der drei Abende ist die SAP Techniversity zu Gast. Das sind über 5.000 Studenten aus dem ganzen Land, die IT-Hoffnungsträger der Zukunft Indiens.
Nach einem langen Tag, gefüllt mit sehr anspruchsvollen Speaker Keynotes, beginnt mich der Moderator anzukündigen. Meine Begrüßungsformel sitzt jetzt, und als die äußerst prominent gewählten Worte “All the way from Germany, the one and only Simon Pierro” fallen, betrete ich die Bühne. Schlagartig brandet ein tosender Applaus auf, die Halle bebt förmlich und ich überlege, ob hinter mir vielleicht der mega-populäre Cricket-Spieler läuft, der Volksheld, der bereits am Nachmittag die Massen zum Toben gebracht hat. Aber nein, der Willkommensapplaus gilt tatsächlich mir.
Ich lasse meinen frischen Hindi-Kenntnissen freien Lauf, sage “Hallo Bangalore” und tatsächlich steigert sich die Euphorie weiter. Es verschlägt mir die Sprache und mir entfällt mein Rest-Hindi. Ehrlich gesagt, ich habe noch nie Vergleichbares erlebt, schon gar nicht vor dem Auftritt. Egal, ich starte meine Show und hoffe, dass ich in den kommenden 45 Minuten die Erwartungen erfüllen und die Spannung halten kann.
Ich packe mein iPad und lege los. Auf den großen Screens wird die Show bis für den letzten Zuschauer gut sichtbar übertragen und jeder digitale Zaubereffekt wird gefeiert. Tatsächlich folgt das Publikum auch den Klassikern wie Bill Switch oder Paper Ball over the Head gebannt oder bestaunt das iToy (ein iPad gesteuertes Riesenspielzeug, in dem mein Zauberfreund Wave steckt).
Die Show geht mit einer Standing Ovation zu Ende. Kaum habe ich die Bühne verlassen, bilden fünf Männer von der Security einen Kreis um mich und führen mich sofort in einen Raum oben in der Halle. Ich zweifle, ob das wirklich nötig ist, drehe mich noch mal unsicher um und sehe, wie uns ein beachtlicher Pulk mit gezückten Kameras und Autogrammwünschen hinterher stürmt. Ich höre Sprachfetzen, wie “Ich habe alle Deine YouTube-Videos gesehen“.
Nach zwanzig Minuten habe ich die Offiziellen überzeugt, dass ich mich gerne unten blicken lassen würde (erwähne natürlich nicht, dass in Deutschland die Reaktionen da doch verhaltener ausfallen). Noch immer stehen etliche Studenten da, und ich beginne die endlose Zeremonie aus Hand schütteln, Foto, noch mal gleiche Hand schütteln, Nächster!
Perfekt vernetzt auf der Suche nach Inspiration
Zurück in der Umkleide schaue ich mir den Pokal an, der mir am Ende der Show überreicht wurde, lese die Gravur “Simon Pierro – Thank you for inspiring us!“. Inspiration – das ist es. Ich werde dieses Wort während meines Aufenthaltes noch öfters hören.
Am zweiten Tag treffe ich mich zu einem Interview mit einer neugegründeten Plattform namens “Know Your Star“. Es wird nicht gefragt, wie ein Trick funktioniert hat, sondern das Interesse gilt Systematiken, Arbeitsweisen, Ideenfindungsprozessen und woher meine Inspiration kommt, wer oder was mich geprägt hat. Am Ende gibt es wieder einen – diesmal selbstgebastelten – Pokal mit der Aufschrift: “You made us believe and made us achieve… Thanks for being a ‘Guiding Light’“.
Am dritten Tag werde ich über den Campus der SAP Labs geführt. Wir laufen an einer Grünfläche vorbei, auf der bedeutende Größen aus Wissenschaft, Sport und Politik jeweils einen Baum gepflanzt haben. Unser Gastgeber Vish bittet mich, vor seinem knapp vierzigköpfigen Team eine Motivationsansprache zu halten, sie zu inspirieren, von meinen Träumen zu erzählen.
Beim Mittagessen wird mir erzählt wie groß der Konkurrenzdruck in einem Land ist, das eine Bevölkerungszahl von einer Milliarde hat. Dass die Besten der Besten nicht zwangsläufig Arbeit finden, sondern sich auch über die Noten hinweg von den anderen abheben müssen, lernen müssen individuell zu sein, um so ihre Träume zu verwirklichen. Deshalb ist Inspiration so wichtig und so schauen sie auf zu denjenigen, die es geschafft haben aus der Masse herauszustechen.
Künstler haben hier übrigens generell einen besonderen Stellenwert, werden in 64 Kategorien eingeordnet und allesamt als Götter (im Sinne von Helden) betrachtet. In den Städten ist man sehr weltoffen, westlich orientiert und vor allem perfekt vernetzt. Facebook wird angeblich von 80 Prozent der jungen Inder verwendet und ein Video, welches ich live während der Show gepostet habe wird in Minuten von zweihundert neuen Followern geliked.
Zum Abschluss erklärt mir Vish noch die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Deutschen und Inder. Letztere gehen oft mit übergroßer Leidenschaft ans Werk. Ein Projekt in einem Monat durchziehen und wenn es noch so viele Nachtschichten bedeutet? Klar! Die Antwort der Deutschen im Konzern darauf: “Habt ihr dafür überhaupt die Kapazitäten?”
Vermutlich ist die Mischung eine gute Kombination, aber die Leidenschaft im Handeln der Inder ist tatsächlich spürbar. Die Reise ist zu Ende und ich nehme ein wertvolles Geschenk aus meinem ersten Indien-Besuch mit nach Hause: Inspiration.