Simon Pierro – Stets “on-line”
Simon versteht Spaß. Viel Spaß sogar! Bei unserer ersten (zufälligen) Begegnung auf einem Flug nach Köln, schüttete ich ihm, dank eines feinmotorischen Faux-pas, seinen Orangensaft über die Hose. Die einzige Hose, die er auf dem Weg zu einem TV-Besprechungstermin an- und dabei hatte. Er hätte sich doch nicht umsetzen sollen. Er nahm es locker, der weitere Flug machte Spaß und die Besprechung in Köln lief trotzdem gut. Mittlerweile bin ich ihm öfter begegnet und wir haben selbst so einige Besprechungen hinter uns. Meist laufen sie recht flüssig ab, sicherheitshalber ohne Orangensaft. Zu Schnitzel und Brainstorming passt auch eher ein bayerisches Bier, das regt die Durchblutung an, zumindest in meinem Hirn. Simons Hirn dagegen ist ständig „on“. Muss es auch, denn Simon lebt mittlerweile on-line. Er hat nicht nur das Getränk gewechselt, sondern auch seine Plattform. Vom weltmeisterlichen Tellerwäscher und „Verstehen Sie Spaßvogel“, über sein „Interaktives Fernsehen“ (mit ersten live-Tests bei den Münchner Zauberwochen), hat er sich in den letzten Jahren zum YouTube-Hit entwickelt, dessen originelle Clips bis zu 10 Millionen Klicks erreichen. Aus Simon wird iSimon – vom Tellerwäscher zum YouTube-Millionär!
Und hier steckt auch schon mein Problem: wie schreibt man als digitaler Dinosaurier, dessen mediale Kindheit noch auf 5 Sender begrenzt und vor allem durch das Prinzip Sendeschluss geprägt war, über einen „digital native“, einen digitalen Ureinwohner? Versteht ein altertümlich-analog zaubernder Mono-Magier überhaupt die Parallel-WWWelten eines permanent online-lebenden Multitasking-Magiers?
Douglas Adams hat es bereits vor vielen Jahren mit seiner Typisierung der “drei Reaktionen auf Technologien” sehr gut auf den Punkt gebracht:
1. Alle Technologien, die es bereits gibt, wenn man geboren wird, sind ein normaler, natürlicher Bestandteil der Welt.
2. Jede Technologie, die im Alter zwischen 15 und 35 erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär, außerdem kann man damit Karriere machen.
3. Jede Technologie, die nach dem 35. Geburtstag erfunden wird, ist fremd, schwer verständlich und überhaupt gegen den natürlichen Lauf der Welt.
Man kennt es von den eigenen, verzweifelten Eltern, denen man damals mit 15 Jahren die Programmierung ihres Videorecorders erklären musste. Das ist 30 Jahre her, mittlerweile bin ich 45 und Simon ist 34. Diese 11 Jahre aber sind im digitalen Zeitalter gefühlte 100 Jahre. Simon erklärt mir YouTube, Facebook, Twitter, augmented realities, 3D object mapping, App-Deployment und ist auf dem besten Weg damit Karriere zu machen. Ich konsumiere, er produziert digitale Inhalte, das ist der feine Unterschied.
Übergenaue Vorbereitungen
Der technische Aufwand ist teilweise enorm, man sieht es den Clips nicht an, doch dahinter stecken nicht nur originelle Ideen, sondern auch akribische Vorbereitung, detaillierte Produktionspläne und ein dichtes Netzwerk weiterer digitaler Ureinwohner. Ein vernetztes Leben in der Matrix, die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwimmen. Der kreative Umgang mit neuen Technologien und Trends gefällt mir und Simon hat einen i-intuitiven Riecher dafür, bietet i-ntelligente Unterhaltung, ist i-nnovativ und i-nternational: seien es Softwarekonferenz-Besucher in Süd-Korea, Teilnehmer einer Augmented-Reality-Tagung in Indien oder die Weihnachtsfeier eines Software Start-Up in Zwickau, sein Zielpublikum versteht diese digitale Zauberkunst emotional besser als ich. Notebooks, Apps und Smartphones sind ein natürlicher Bestandteil ihrer Welt, ein simples Fenster in die selbstverständliche online-Welt. Die virtuelle Verblüffung ist für diese Generation vermutlich genauso wirkungsvoll, wie es früher nur die alten, analogen Tricks der mogelnden Monomagier waren.
Für beide Welten aber gilt, daß es starke Effekte sein sollten und so können doch ein paar Erfahrungen aus der guten alten Realität für die neue Realität 2.0 von Nutzen sein. In den besten Momenten verwischt Simon in seinen online-Clips und live-Vorführungen die Grenze zwischen Zauberei und Technik. Ein Gefühl, das schon der Science Fiction Autor Arthur C. Clarke in den 60er Jahren mit seinem „3. Gesetz“ vorhergesagt hat: „Jede weit genug fortgeschrittene Technologie, ist ununterscheidbar von Zauberei.“
Technologie als Magie
Die Konkurrenz auf dieser weltweiten Plattform ist natürlich groß, umso wichtiger sind neben den technologischen Tricks, auch ein Verständnis der magischen Mechanismen und Möglichkeiten, um so digitale Inhalte zu generieren, die sich abheben. Die Zauberkunst hat mit der online-Welt eine weitere Bühne hinzugewonnen, die ich emotional zwar nicht vollkommen verstehe, doch das liegt wohl an den Regeln von Douglas Adams. Trotzdem macht es großen Spaß mit dem Multitasking-Magier Simon beim kreativen Schnitzelstammtisch gelegentlich die Grenze zwischen den Welten zu erkunden und so gegen die „digitale Demenz“ anzugehen. Also genau genommen, ist es sogar ansteckend… Dieser iSimon kann sich schon mal warm anziehen, ich bastle insgeheim bereits an einer Orangensaft-App!
(c) 2012 Thomas Fraps 😉
Zum Autor:
Thomas Fraps ist Profizauberkünstler und Erwachsener. In der ersten Hälfte seines Lebens hat er oft gegen die Realität gekämpft, letztlich aber gewonnen. Seither zieht er als preisgekrönter Zauberer und wortgewandter Moderator durch die Welt. Sei es auf einer Supercomputer-Konferenz in San Diego oder der Eröffnung einer Klärschlammverbrennungsanlage in Schongau, stets frapp(s)iert er sein Publikum und beweist ganz nebenbei, dass die Wirklichkeit oft anders ist als die Realität!