Pressebericht über die ausverkaufte Premiere von „Simon Pierro – Der digitale Magier“, geschrieben von Eberhard Riese, Präsident des Magischen Zirkels von Deutschland.
Eine lange Schlange wartet frierend auf den Einlass in die backsteingemauerte Freiheizhalle im zentralen München. Ebenso wie die Vorpremiere in Mannheim ist die Veranstaltung bis auf den letzten Platz ausverkauft – äußeres Kennzeichen für die steigende Beliebtheit der Zauberkunst beim breiten Publikum, aber auch für den Berühmtheitsgrad von Simon Pierro, dem digitalen Magier mit dem iPad.
Und entsprechend modern ist die Bühne ausgestattet. Lichtsäulen, mehrere Kameras und eine große Leinwand, auf die während der Show dann die kleineren Effekte gestochen scharf projiziert werden.
Eröffnet wird mit seiner wohl bekanntesten Darbietung „iPad Magic“, die auf YouTube millionenfach angeschaut wurde. Er ist der erste Zauberkünstler, der einen „iPad-Zauberkasten“ aus Apps bastelte und Funktionen vorführte, die das iPad so natürlich gar nicht hat. Dann ein humorvoller Rückblick auf Pierros wichtigste Stationen im Leben (natürlich „live“ auf ein iPad gezeichnet): Geburt, USA-Reise (wo er einem Falschspieler auf den Leim ging), der „Tellerwäscher“, der Lockvogel bei „Verstehen Sie Spaß?“ und eben der Magier mit dem iPad – das Ganze im witzigen Zeichentrick.
Es folgen: Effekte aus der Sprechzauberkunst, alle mit einem Special-Pierro-Touch versehen: Card Toon nach Dan Harlan, allerdings zieht das Männchen keine Spielkarte aus dem Zylinder, sondern ein iPad, auf dem dann die gezogene Zuschauerkarte erscheint. Siri, die Sprachstimme auf dem iPad, bringt Pierro eine Zauberroutine bei („Stell den Becher in das Glas… tu dies heimlich, so dass das Publikum nichts merkt…”). Durch die Verwendung der modernen Tools bekommt jedes Kunststück ein neues, eigenes Gesicht, sogar die Nummer eines zerstörten und wiederhergestellten Geldscheines erscheint visuell im iPad.
Eine Erscheinung der besonderen Art: Uri Geller wird per Skype „zugespielt“, konsequenterweise verbiegt sich ein Löffel, eine Glühbirne zerspringt und – man sieht Geller den Spaß an, den er bei der Sequenz hat – ein iPad verbiegt sich. Die Pause wird verkürzt durch ein Video mit der Firma Lego, mit der Pierro seit diesem Jahr einen Exklusivvertrag abgeschlossen hat.
Im zweiten Teil dann unter anderem die „Fühlbox“ – für mich eine der sensationellsten Trickerfindungen der letzten Jahre. Absolut unerklärlich. Ich habe Hakan Varol damit auf der Händlermesse in Ede bewundert, wie er ca. eine halbe Stunde lang seine Zuschauer damit foppte und unterhielt, ich habe Desimo, Harry Keaton, Derren Brown, Andy Häußler u.a. damit gesehen: ein Tummelfeld für den kreativen Magier, und alle Routinen sind zwar in der Struktur ähnlich, aber im Inhalt anders, haben andere Themen. So auch bei Simon Pierro: ein gefühlter Schwamm entpuppt sich als Stein, ein Schreibblock als iPad (was sonst?), und ein iPhone als realistisches altmodisches rotes Telefon.
Pierros Umgang mit den Zuschauern, gleich welchen Alters sie sind: vorbildlich. Es versteht mit den Kleinen genauso locker und souverän umzugehen wie mit den Älteren. Bei der Fühlbox schaut sich die Zuschauerin schnell durchlaufende Bilder auf dem iPad an und wird durch die Apple-Werbemusik beeinflusst. Danach als Einspieler der Spinnenclip aus „Verstehen Sie Spaß?“ („99 Prozent hätten nicht in die Box gegriffen, wenn sie vorher das hier gesehen hätten…“).
Als „maskierter Magier“ werden scheinbar drei Tricks entlarvt (schwebender Stock, Fingerfertigkeit mit einem Kartenspiel, schwebende Kugel), natürlich mit der nötigen Ironie.
Den vermeintlichen Schluss bildet die Illusion „Hütchenspiel XXL“ und schließt damit den Bogen zum Beginn der Show, als Pierro per Zeichentrick erklärt hatte, wie er in New York zur Zauberkunst gekommen ist. Das alles hätte bereits zu einem runden, spektakulären Zauberabend ausgereicht.
Aber dann: eine zu Herzen gehende, unglaubliche Hommage an Cardini. In der linken Hand das obligatorische iPad, dieses Mal ist ein Handschuh zu sehen. Und nun stelle man sich dieses Bild vor: eine rechte Hand, manipulierend, wie wir es verstehen. Als Ergänzung dazu eine linke digitale Hand. Man kann es nicht beschreiben, das muss man gesehen haben. Reales und Digitales fließen zusammen, schaffen eine neue Wirklichkeit, die sich im Kopf des Zuschauers zusammensetzt.
Beratend zur Seite stand dabei Mirko Callaci, der extra mehrere Male aus seiner neuen Wahlheimat China angereist war.
Dies allein schon war den Besuch des ganzen Abends wert…
Nicht enden wollender Applaus eines begeisterten Publikums – und das Puzzle des Lebens als verdiente Zugabe.
Vielen Dank an den Magischen Zirkel von Deutschland und die Redaktion der Fachzeitschrift MAGIE für die freundliche Genehmigung den Artikel zu veröffentlichen.